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Reaktivierung der Bahnstrecke Osnabrück - Dissen/Bad Rothenfelde
Osnabrück/Dissen, 12.05.2005 (BA)
Der legendäre Haller Willem fährt ab Freitag, 10. Juni 2005,  wieder über die Gleise zwischen Dissen/Bad Rothenfelde und Osnabrück: Die rund 23 Kilometer lange Bahnverbindung schafft nach 18-monatiger Bauzeit wieder eine durchgehende Schienenverbindung zwischen den Oberzentren Osnabrück und Bielefeld.
Diese Reaktivierung einer ruhenden Bahnstrecke ist einmalig in Niedersachsen.

Bis 1984 hatte der „Haller Willem“ Personen, bis 1992 immerhin noch Güter durch das südliche Osnabrücker Land befördert. Dann wurde es still auf den Gleisen des Nordabschnitts, während zwischen Dissen/Bad Rothen- felde und Bielefeld der Schienenverkehr durchgängig erhalten blieb.
Um die niedersächsische Strecke vor einem dauerhaften „Aus“ zu bewahren, mietete die Verkehrsgesellschaft Landkreis Osnabrück (VLO) sie 1999 auf Wunsch des Landkreises Osnabrück für 30 Jahre von der Deutschen Bahn AG an.

Ein kleines Wunder geschah: Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) untersuchte fast 60 nicht mehr genutzte Bahnlinien - und bescheinigte fast allen mangelnde Rentabilität.
Doch die Strecke des „Haller Willem“ erhielt eine positive Prognose für die Wiederaufnahme des Schienenver- kehrs: Erwartet wird ein Potential von täglich rund 3.600 Fahrgästen. Das Land zog die Konsequenz und sagte die Finanzierung aus Regionalisierungsmitteln zu.

Komplizierte Planungen
Die VLO als Infrastrukturträger begann 2001 mit der europaweiten Ausschreibung der Planungsleistungen so- wie der Bauarbeiten. Die ConTrack GmbH erhielt im Februar 2002 den Auftrag für die Planungen.
Die Ausschreibung für den Gleisoberbau, für die damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten sowie für die Brückenbauarbeiten und -sanierungen  gewann der Firmenzusammenschluss „ARGE Haller Willem“. Dahinter verbergen sich die Unternehmen Stefen GmbH & Co. KG aus Oldenburg, Steinbrecher GmbH aus Wittmund und Martin Rose Gleisbau KG aus Kassel. Das Gewerk Signaltechnik ging an das Unternehmen Scheidt und Bachmann aus Mönchengladbach. Endgültig „grünes Licht“ gab es für den Haller Willem im Januar 2003 durch die Unterzeichnung des Finanzierungsvertrages zwischen dem Land Niedersachsen, der LNVG und der VLO: Von den Gesamtbaukosten in Höhe von 16,3 Millionen Euro sagte das Land 10,7 Millionen Euro zu.

Als Grundlage für die technische Entwurfsplanung entwickelten die VLO und die Besteller der Nahverkehrs- leistungen, die LNVG und der Verkehrsverbund Ostwestfalen-Lippe (VVOWL), gemeinsam mit der ConTrack das betriebliche Konzept. Süd- und Nordabschnitt des „Haller Willem“ mussten aufeinander abgestimmt wer- den: Ziel war es, ein attraktives Nahverkehrsangebot vor allem für Schul- und Berufspendler zu schaffen.
Dazu durfte jedoch die Gesamtfahrzeit zwischen Dissen/Bad Rothenfelde und Osnabrück möglichst nicht mehr als 30 Minuten betragen. Außerdem sollte sich der künftige Fahrbetrieb als Stundentakt zwischen Bielefeld und Osnabrück realisieren lassen.

Das entstandene Konzept sieht auf niedersächsischer Seite in Hilter-Wellendorf einen Kreuzungsbahnhof vor. Der Haller Willem hält künftig in Dissen/Bad Rothenfelde, Hilter, Wellendorf, Kloster-Oedese, Oesede, Sutt- hausen und Osnabrück, die Fahrzeit auf dem reaktivierten Nordabschnitt beträgt 32 Minuten.

Die Bauarbeiten
Um diese Fahrzeit zu erreichen, musste die Strecke für eine durchgehende Geschwindigkeit von 80 Stunden- kilometern teilweise neu trassiert werden. Die Streckentopographie mit engen Bögen in Damm- und Einschnitt- lage stellte für die Planer eine echte Herausforderung dar.
Für VLO und ConTrack ein wichtiges Argument für den Einsatz von Y-Stahlschwellen anstelle von Beton- schwellen. Die inzwischen verlegten 17.922 Y-Stahlschwellen sorgen für eine besondere Stabilität der Haller- Willem-Trasse durch eine größere Rahmensteifigkeit gegen seitliches Verschieben: Besonders wichtig bei kurvenreicher Streckenführung und beengten Verhältnissen. Für die Stahlschwellen sprach jedoch auch ihre Wirtschaftlichkeit mit einem geringeren Transportgewicht, einem niedrigeren Bedarf an Gleisschotter sowie den auf anderen Strecken nachgewiesenen günstigen Unterhaltungskosten.

Wirtschaftliche Erwägungen gaben auch den Ausschlag für den Einkauf der neuen Gleise in Österreich. Das Unternehmen VoestAlpine stellt die 120 Meter langen Stahlgiganten her, die auf der Schiene in das Osna- brücker Land transportiert wurden. 45.600 laufende Meter Schiene S 54, rund 50.000 Tonnen neuen, bzw. gereinigten Alt-Schotter und 2800 Meter Drainagerohr, bzw. Tiefenentwässerung verarbeitete die ARGE Haller Willem auf dem Nordabschnitt, bevor die Bahnstrecke den Anforderungen des modernen Schienenpersonen- verkehrs entsprach.

Dazu gehörte nicht zuletzt auch ein hoher Sicherheitsstandard. Die innovative Technologie für die Bahnüber- gangssicherung sowie die komplette Zugsicherungstechnik des Unternehmens Scheidt und Bachmann GmbH aus Mönchengladbach erhielt den Zuschlag der VLO für dieses Gewerk. Die Verkehrsgesellschaft hatte sich bei der Ausschreibung nur unter Vorbehalt für das so genannte System ZSB 2000 entschieden: Denn erst während der Bauarbeiten erhielt Scheidt und Bachmann die offizielle Zulassung des Eisenbahnbundesamtes für die neue Signaltechnik, die bis Anfang 2005 auf einer Strecke im Sauerland getestet wurde.

Vor allem der Gewinn an Sicherheit und Komfort auf der künftigen Strecke hatte die Fachleute für das ZSB 2000 gewonnen. Das System, für das rund 60 Kilometer Kabel verlegt und 200 Signale an Bahnübergängen und entlang der Strecke gesetzt wurden, ermöglicht eine flexiblere Kommunikation zwischen Fahrdienstleiter und Lokführer auf der Strecke. Tritt etwa ein Störungsfall auf, kann ohne die im Bahnbetrieb oft üblichen langen Wartezeiten ein Notbetrieb aufgenommen werden. Ein weiterer Pluspunkt sind die äußerst kurzen Schließzeiten an den Bahnübergängen von einer Minute und weniger.

Die vier neuen Haltepunkte und der Kreuzungsbahnhof Hilter-Wellendorf sind inzwischen behindertengerecht ausgebaut. Die neuen Bahnsteige des niedersächsischen Teilabschnitts des Haller Willem messen 110 Meter und sind wie im Südabschnitt 76 Zentimeter hoch. Von den ursprünglich 35 Bahnübergängen wurden acht im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens geschlossen.
Von den verbleibenden 27 Übergängen sind 23 technisch gesichert: Ein bundesweit sehr hoher Standard. Die vier weiteren Übergänge sind Fußwege, die durch Übersicht gesichert sind.

Die Zukunft des Haller Willem
Nicht immer lassen sich Bauarbeiten genau planen: So kam es beim Ausbau des Haller Willem zu Verzö- gerungen, weil ein Dachs einen Bahndamm in Malbergen gründlich unterhöhlt hatte. Dennoch konnten die Bauarbeiten voll im Zeitplan abgeschlossen werden, inzwischen läuft bereits der Probebetrieb auf der ausge- bauten Strecke.
Am Freitag, 10. Juni, gibt der niedersächsische Ministerpräsisdent Christian Wulff am Bahnhof Dissen/Bad Rothenfelde den offiziellen Startschuss für die neue, länderübergreifende Ära des Haller Willem.
Am Sonntag, 12. Juni, feiern die Anliegerkommunen entlang der Trasse mit einem großen Fest die Wieder- kehr der Traditionsstrecke, bevor am Montag, 13. Juni, die NordWestBahn den Regelbetrieb zwischen Osna- brück und Bielefeld aufnimmt.


 

 

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